Häufige Fragen zum Ehenichtigkeitsverfahren

Warum ist die Wiederheirat von Geschiedenen ein Problem für die katholische Kirche?

Um diese Frage beantworten zu können, bedarf es eines Blicks in die Theologie, genauer in das christliche Eheverständnis. Die Ehe ist ein Abbild des Bundes, den Jesus Christus mit seiner Kirche geschlossen hat. Dieser Bund ist absolut und ausschließlich. Das Ja-Wort, mit dem das Paar die Ehe begründet, wird als unwiderrufliches personales Einverständnis aufgefasst. Die Eheleute sind sich einig darüber, sich gegenseitig voll und ganz zu schenken und anzunehmen, sich einander treu zu sein, in guten und schlechten Zeiten, bis zum Tod.  Sie werden „ein Fleisch“ (Mt. 19,6), gehen eine exklusive Verbindung mit dem Partner ein, so wie Christus eine exklusive Verbindung mit seiner Kirche pflegt. Eine erneute kirchliche Eheschließung zu Lebzeiten des ersten Ehepartners würde die Exklusivität und Unbedingtheit der Ehe als Zeichen der Verbindung Christi zu seiner Kirche negieren.

 

Betrifft das Ehenichtigkeitsverfahren auch Nichtkatholiken?

Nach katholischem Verständnis ist jede Ehe ein unauflöslicher Lebensbund, der bereits in der Schöpfung verankert ist. Somit ist auch die Ehe zwischen zwei Ungetauften ein unauflöslicher Bund. Handelt es sich um eine gültige Ehe, die von zwei Christen (z.B. Protestanten, Orthodoxe usw.) geschlossen wird, ist diese zudem ein Sakrament. In den Fokus der katholischen Kirche rücken diese Ehen jedoch erst, wenn eine erneute Eheschließung mit einem katholischen Partner ansteht.

Beispiel: Heiraten zwei evangelische Christen auf dem Standesamt, betrachtet die katholische Kirche diese Ehe als unauflöslich, da sie nach der evangelischen Auffassung der Ehe gültig ist. Sollte nun einer der beiden, nachdem diese Ehe geschieden wurde, einen Katholiken kirchlich heiraten wollen, ist dies nur möglich, wenn die Vorehe der beiden evangelischen Christen als ungültig nachgewiesen ist.

 

Was ist mit den Kindern aus der ersten Ehe? Sind die dann überhaupt ehelich?

Im Ehenichtigkeitsverfahren geht es darum, festzustellen, ob die betreffende Ehe im Sinne der Rechtvorschriften der katholischen Kirche gültig zustande gekommen ist. Hier werden zivilrechtliche Aspekte nicht berührt. Damit gelten Kinder aus einer kirchlich ungültig geschlossenen Ehe weiterhin als ehelich.

 

 

 

Meine Ehe war sicher nicht gültig…oder?

Die staatliche Praxis der Scheidung und das immer größere Schwinden der religiösen Sozialisation weiter Teile der Bevölkerung führen dazu, dass auch das katholische Eheverständnis immer mehr aus dem Blick gerät. Fakt ist, dass eine Ehe, bei der ein Katholik beteiligt ist, die in der Kirche, vor einem katholischen Amtsträger und zwei Zeugen geschlossen wird, sich zunächst der Rechtsgunst erfreut. D.h. dass die Ehe von Seiten der katholischen Kirche solange als gültig angesehen wird, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Eine Besonderheit, die bei Katholiken hinzukommt, ist die Bindung an die Form der Eheschließung. Damit ein Katholik eine gültige Ehe schließt, muss er diese vor dem katholischen Amtsträger und zwei Zeugen schließen. Hier kann im Einzelfall auch eine Ausnahme durch das zuständige Ordinariat gewährt werden.

Ebenso anerkennt die katholische Kirche die Eheschließungsform der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften.

 

Wer wird bei einem Ehenichtigkeitsverfahren verklagt?

Kirchliche Eheprozesse kennen keinen Angeklagten. Es geht hier allein darum, den Personenstad zu klären, also festzustellen, ob eine Person im „Stand der Ehe“ steht oder nicht. Wurde eine Ehe formal richtig geschlossen, wird sie von der Kirche, bis das Gegenteil bewiesen ist, als gültig angesehen. „Verklagt“ wird bei dem Ehenichtigkeitsverfahren also nicht der ehemalige Ehepartner, sondern das bestehende Eheband an sich.  Darum spricht man im Ehenichtigkeitsverfahren nicht vom „Kläger“ und vom „Angeklagten“, sondern vom „Kläger“ und vom „Nichtkläger“. Dem Eheband wird ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt: Der Ehebandverteidiger. Er bringt Argumente vor, die vernünftigerweise dagegen sprechen, die Ehe als ungültig zu bewerten.

 

Rahmenbedingungen des kirchlichen Verfahrens

Im Verfahren werden der Kläger, nach Möglichkeit der Nichtkläger sowie Zeugen, die um den behaupteten Sachverhalt möglichst aus eigenem Erleben wissen, persönlich befragt. Die Befragung findet am Sitz des Gerichtes statt. Die Beteiligten begegnen sich im Laufe des Verfahrens in der Regel nicht, Ausnahme bildet hier das seit 08.12.2016 mögliche „Kurzverfahren“.  Als Beweismittel kommen weiterhin Urkunden, Briefe, Bilder, Gutachten, ärztliche Atteste usw. in Betracht.

 

Wie wird das Verfahren eingeleitet?

Am Anfang eines jeden Verfahrens steht ein Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter des kirchlichen Gerichts. Hier gilt es zunächst zu prüfen, ob ein möglicher Klagegrund vorliegt und ob es genügend Beweismittel gibt, um diesen zu untermauern. In der Regel geschieht dies durch mindestens zwei Zeugen, die direktes Wissen vom Klagegrund haben.  Anschließend muss eine Klageschrift und ein Klageantrag beim kirchlichen Gericht eingereicht werden. Eine wohlüberlegte und rechtlich wie sachlich begründete Klageschrift ebnet den Weg zu einem reibungslosen Verfahren. In ihr ist zunächst das Klagebegehren zu nennen. Außerdem muss das Schriftstück den Sachverhalt bezeichnen, auf den sich die klagende Partei bezieht sowie die dafür angebotenen Beweismittel benennen. Auch die Anschrift beider Parteien gehört in die Klageschrift. Sollte der Wohnsitz der nichtklagenden Partei unbekannt sein und sich auch nicht herausfinden lassen, kann sie für prozessabwesend erklärt werden, und der Prozess kann ohne sie geführt werden. Auch sollte die Klageschrift die Anschrift der Zeugen beinhalten.

 

Wie lange dauert so ein Verfahren und was kostet mich das?

Seit 08.12.2015 genügt es, wenn das Gericht der I. Instanz die Ungültigkeit der Ehe feststellt. Eine Bestätigung des Urteils in der II. Instanz ist nur noch nötig, wenn eine Partei oder der Ehebandverteidiger bei diesem Gericht Berufung einlegen. Das Verfahren in der I. Instanz hat eine Dauer von ca. einem Jahr. Jedoch kann der Zeitraum variieren, je nachdem, wie umfangreich das Verfahren ist (Anzahl der Zeugenvernehmungen, etwaige Gutachten usw.). Ein Verfahren in II. Instanz hat eine durchschnittliche Dauer von 6 Monaten, kann aber auch länger dauern.

Die Kosten für ein Verfahren werden grundsätzlich von jenem getragen, der das Verfahren beantragt. Für die I. Instanz  entstehen Gerichtsgebühren in der Höhe von 200€, für die II. und jede weitere Instanz Kosten von 100€. Es können zusätzliche Kosten entstehen, wenn z.B. Gutachten angefertigt werden müssen. Bei nachgewiesener Bedürftigkeit können die Kosten auch (teilweise) erlassen werden.

 

Wer ist überhaupt zuständig für das Verfahren?

Zuständig ist das kirchliche Gericht der Diözese:

  • in dessen Gebiet die Eheschließung stattfand
  • in dessen Gebiet die klagende Partei ihren Wohnsitz hat
  • in dessen Gebiet die nichtklagende Partei ihren Wohnsitz hat
  • in dessen Gebiet die meisten Beweise zu erheben sind

Sind mehrere Gerichte zuständig, dann entsteht eine konkurrierende Zuständigkeit. Die klagende Partei steht in diesem Falle die Wahl des Gerichtes frei.

 

Muss der frühere Partner beteiligt werden? Kann er dann lesen, was ich gesagt habe?

Da eine Ehe immer von zwei Partnern geschlossen wird, ist es verständlich, dass auch die nichtklagende Partei über das Verfahren informiert wird. Schließlich betrifft das Verfahren auch die Ehe der nichtklagenden Partei, so dass diese auch das Recht hat, Stellung zu nehmen und die eigene Sicht der Dinge zu schildern.

Je nachdem, ob sich die nichtklagende Partei am Verfahren beteiligen will oder nicht, hat der ehemalige Partner auch Einsicht in die Akten bei der Aktenoffenlegung. Beteiligt sich die nichtklagende Partei nicht am Prozess, entfällt hier auch die Akteneinsicht. Sollte eine Partei einen kirchlichen Anwalt beauftragt haben, dann werden diesem die Akten ebenfalls offengelegt. Ansonsten hat allein das Gerichtspersonal Zugang zu den Akten. Weder Eltern, Freunden noch dritten Personen werden Akten ausgehändigt bzw. wird Einsicht gewährt. Das ganze Verfahren findet unter dem Siegel der Geheimhaltung statt.

 

Wer entscheidet?

Über die Nichtigkeitsbehauptung entscheidet ein Kollegium bestehend aus drei Richtern, die unabhängig voneinander die Protokolle der Vernehmungen und das Aktenmaterial prüfen. Kommt die Mehrheit der Richter zu dem Entschluss, dass es keinen gültigen Eheabschluss gegeben hat, dann wird die Ehe für ungültig erklärt.

Wird innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist keine Berufung gegen dieses Urteil eingelegt, dann ist es vollstreckbar, d.h. es kann eine neue Ehe eingegangen werden.

 

Dann ist ein Ehenichtigkeitsverfahren also eine "Scheidung auf katholisch", oder nicht?

Diese Auffassung wird immer wieder vertreten, ist aber falsch. Während der Staat bei einer Scheidung feststellt, dass eine Ehe gescheitert ist, hat das Scheitern der Ehe für ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren eine sekundäre Bedeutung. In einem Ehenichtigkeitsverfahren steht das gültige Zustandekommen der Ehe im Mittelpunkt. Es wird geprüft, ob die Ehe - nach katholischem Verständnis - überhaupt alle Anforderungen (sowohl formal, als auch inhaltlich) beim Eheabschluss erfüllt hat. Somit blickt der das kirchliche Eheverfahren auf das Zustandekommen der Ehe und dessen Umstände, während der Staat allein am Ende der Ehe und deren Scheitern interessiert ist.