Vergewaltigter Junge kämpft um Gerechtigkeit
Der 15-jährige Alexandre Robert wurde in Dubai von drei Männern vergewaltigt. Die Behörden interessierte das Leid des Jungen aber nur wenig. Ihm droht jetzt in Dubai sogar eine Gefängnisstrafe.
Das Horror-Szenario für Alexandre Robert begann am 14. Juli 2007: Der 15-Jährige wohnte mit seinem Vater, einem Hotelmanager, in Dubai. Wie so oft besuchte er am späten Nachmittag mit seinem Freund Fabrice einen Spielcenter. Ein 17-jähriger Bekannter schlug den beiden Gymnasiasten vor, sie mit seinem Cousin nach Hause zu fahren. Zwei Einheimische, ein 35- und ein 18-Jähriger, stiegen mit ins Auto ein. Als Alex merkte, wie sie an seinem Haus vorbeifuhren, wollte er die Polizei anrufen, doch die drei Araber nahmen ihm das Handy weg. Die Türen wurden abgeschlossen und die drei Männer bedrohten die beiden Jungen mit Messern und einer abgebrochenen Billardstange.
Am Rande der Stadt wurde Fabrice aus dem Auto geworfen und seiner Aussage nach zum Oralsex gezwungen. Alex hingegen wurde im Auto der Reihe nach von den Kriminellen vergewaltigt. "Er fragt sich, warum gerade ihm das passiert ist", sagte Veronique Robert, die Mutter des Opfers. "Ich werde dein Haus niederbrennen und deine Eltern verbrennen, nachdem ich Sex mit deiner Mutter gehabt habe!", drohte ein Vergewaltiger dem Jungen noch nach der Misshandlung, damit dieser sie nicht anzeigt.
Trotz der Einschüchterungsversuche ging Alex noch am selben Abend zur Polizei. Nach der Straftat war das Auto der Verbrecher im Sand stecken geblieben und musste geborgen werden. Der Junge hatte sich das Nummernschild gemerkt, was eine schnelle Festnahme ermöglichte. Sein Vater begleitete den völlig traumatisierten Jungen. Die Anzeige wurde offensichtlich widerwillig von den zuständigen Beamten aufgenommen. "Die Entführung, die Vergewaltigung, die Messer kamen in der Aussage nicht vor und sie musste später noch erneut aufgeschrieben werden ", erklärt Véronique, die Mutter von Alex, die zu dieser Zeit noch in Paris war.
"Du bist homosexuell, gib es zu!"
Der ägyptische Arzt, der den Jungen nur oberflächlich untersuchte, wollte keine Zwangspenetration feststellen und meinte, der Junge wäre derartige Praktiken gewohnt. Zum Abschied sagte er dem Opfer "Du bist homosexuell, gib es zu!". Später behauptete die Polizei, der 15-Jährige hätte auf freiwilliger Basis mit einem der Täter Sex gehabt, obwohl die DNA-Proben aus seinem Körper eindeutig von mehreren Tätern stammte.
Der französische Konsul warnte die Roberts, ihr Sohn konnte wegen des Geschlechtsverkehrs mit einem Mann im Gefängnis landen. Um diesem Schicksal zu entgehen, lebt der Junge nun in einem Internat in der Schweiz.
Für die Roberts kam es aber noch schlimmer: Monatelang verschwiegen die Behörden der Familie, dass einer der Vergewaltiger HIV-positiv war. Diese Erkrankung war bereits seit 2003 in dem Vorstrafenregister des Mannes vermerkt. Der bisher elffach vorbestrafte Verbrecher sollte daher eigentlich in einer Einzelzelle sitzen. Außerdem leidet er nach eigener Aussage an Hepatitis.
Laut Gesetz existiert AIDS in Dubai nicht
"Als wir ihm gesagt haben, dass er eventuell AIDS haben könnte, wollte Alex nur eins: nach Dubai zurückkehren und es in die Luft sprengen", erinnert sich Véronique Robert. Ob er infiziert wurde, weiß die Familie erst im Januar, wenn die Testergebnisse ausgewertet sind. "Im Fall einer Vergewaltigung ohne Kondom wird normalerweise sofort eine Dreifachtherapie als Vorbeugungsmaßnahme angeordnet", erklärt seine Mutter. Jedoch nicht in den Emiraten, dort existiert die Krankheit laut Gesetz nämlich gar nicht.
Zuwanderer, die neun Zehntel der Bevölkerung in Dubai ausmachen, sollen sich einmal im Jahr einem HIV-Test unterziehen. Erweist sich dieser als positiv, werden sie innerhalb der nächsten 24 Stunden ausgewiesen. Vergewaltigugen an Männern werden im Gesetzbuch ebenfalls nicht anerkannt, obwohl sie keine Seltenheit sind.
Der 18-jährige Peiniger von Alex vergewaltigte bereits im Alter von 12 Jahren einen damals Achtjährigen. Höchststrafe in solchen Fällen sind höchstens ein paar Monate Gefängnis. "Wenn sie eine Frau sind, sind sie eine Prostituierte. Wenn sie ein Junge sind, sind Sie ein Homosexueller", empört sich Véronique Robert. Haftstrafen für Vergewaltigungsopfer sind keine Seltenheit, gerade für Ausländer.
Die in Paris lebende Journalistin will nun durch eine Medienkampagne Druck auf Dubai ausüben und kämpft um Gerechtigkeit für ihren Sohn. Claude Guéant, einer der engsten Vertrauten von Nicolas Sarkozy, empfing die streitbare Frau bereits zweimal im Elysée-Palast. Der französische Präsident sprach den Fall des misshandelten Alexandre bereits beim Frankreichbesuch des Scheichs an. "Ich bin von den höchstens Behörden von meinem Land unterstützt worden. Doch ich kann mir gut vorstellen, was passiert, wenn Vergewaltigungsopfer pakistanische Kinder oder Dienstmädchen aus den Philippinnen sind: Sie verbringen ein Jahr im Knast und werden abgeschoben", meinte Véronique Robert gegenüber der französischen Zeitung Libération.
"Mein erster Reflex als Mutter wäre: 'Knallen Sie die alle ab!'"
Ihre Strategie scheint zu funktionieren. Die Staatanwaltschaft droht jetzt den zwei volljährigen Tätern mit der Todesstrafe. "Mein erster Reflex als Mutter wäre 'Knallen Sie die alle ab!'. Aber man kann nicht den archaischen Charakter des Regimes anprangern und die Todesstrafe befürworten", gibt Véronique Robert zu. Sie will, dass Vergewaltigungsopfer in Dubai ab jetzt von dem Gesetz beschützt und psychologisch betreut werden. Ebenfalls hat sie sowohl in der Schweiz, als auch in Frankreich eine Klage gegen die arabischen Behörden erhoben, die Webseite Boykott-Dubai auf Englisch und Französisch ins Leben gerufen und will über das Leid ihres Sohnes in einem Buch berichten.
Anfang November flog Alexandre trotz seines erlittenen Traumas zurück nach Dubai. "Ich habe riesige Angst. Ich weiß nicht, was die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate tun werden. Aber wenn ich keine Aussage mache, werden meine Vergewaltiger nicht verurteilt", vertraute sich der 15-Jährige der Genfer Zeitung "La Tribune de Genève" an.
Er will – mittlerweile wieder zurück in der Schweiz – trotz seiner Qualen durchhalten: "Ich muss stark sein. Ich tue dies für alle anderen Kinder, die vergewaltigt wurden und nichts dagegen tun konnten", verkündet er in der "New York Times". "In Dubai bauen sie zwar die höchste Wolkenkratzern, aber sie wollen nicht, dass die Welt weiß, dass Dubai noch im Mittelalter lebt.".
Die Anklage gegenüber dem an AIDS-erkrankten Täter lautet mittlerweile auf Mord, wie die "Gulf News" berichtete. Dieser habe schließlich gewusst, dass er HIV-positiv sei und an Hepatitis leide. Wie der Anwalt der Familie Roberts im Strafgericht von Dubai verkündete, käme die Vergewaltigung also einem versuchten Mord gleich. Ob Alexandre sich infiziert hat, ist allerdings nach wie vor unklar. Der Anwalt fügte hinzu: „Mein Mandant weint Tag und Nacht. Er will nicht an Aids sterben.“