Wittgenstein-Preisträger 2014
Josef Penninger
FUNCTIONAL GENETICS / FUNKTIONALE GENETIK
Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA)
Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
Für den Molekularbiologen Kim Nasmyth reduziert sich sein Fach auf einen grundlegenden Satz: „Es geht darum, wie sich Zellen reproduzieren und vermehren.” Der aus England gebürtige, seit 1988 am Wiener Institut für Molekulare Pathologie (IMP) tätige Forscher beschäftigt sich damit, wie diese komplexe Aufgabe organisiert wird – mit Vorliebe an Hefezellen, an denen sich die Prozesse der Zellteilung exemplarisch untersuchen lassen.
Immer genauer werden die Mechanismen beobachtet, die dafür sorgen, dass Tochterzellen identische Chromosomensätze erhalten. Zu den Fragen, die die BiologInnen seit mehr als 100 Jahren beschäftigen, zählen etwa die nach dem „molekularen Klebstoff”, der die Chromatiden zusammenhält, und die nach den Trennungsmechanismen. Die Antworten seien für Grundlagenforschung wie für die Anwendung in verschiedenen Wissensgebieten gleichermaßen relevant: „Auch ein Neurobiologe, der an der molekularen Basis sagen wir des Bewusstseins interessiert ist – wenn es so was gibt, und davon bin ich überzeugt –, wird sich früher oder später auf die gemeinsame Chemie, auf die Proteinlogistik einlassen müssen. Und die Zellteilung ist einer der fundamentalen Prozesse, um die es dabei geht.”
Als Direktor des IMP – eines privaten, von Boehringer-Ingelheim geführten, aber über das Vienna BioCenter mit der Universität Wien kooperierenden Instituts – nimmt der Hefegenetiker immer wieder zu den sensiblen Fragen der Genforschung Stellung: „Gegen Genmanipulation per se zu sein halte ich für einen Rückschritt. Das ist wie Prinz Charles, der sagt, wir müssen Hauml;user wie im 18. Jahrhundert bauen. Das geht nicht, dann stirbt die Zivilisation. Wir bewegen uns, wir verändern uns, wir probieren Neues. Gleich bleiben ist schlicht keine kluge Art zu überleben. Wir wissen nicht, was funktioniert, bis wir es ausprobieren.”
Die Schlüsselfrage sei, wie Forschung am besten für den gesellschaftlichen Wandel genutzt werden kann. Am besten, so Nasmyth, scheinen es die AmerikanerInnen zu handhaben. In Boston und Umgebung gebe es eine grössere Konzentration an Forschung und Geld als sonst wo. „Vielleicht hat es damit zu tun, dass die Amerikaner ewig leben wollen, und ausserdem glauben sie, dass man sein Schicksal in der Hand hat. Diese Kombination bedeutet, dass unglaublich viel öffentliches und privates Geld in die Biomed-Forschung geht.”
Mit dem Wittgenstein - Preis 1999 konnte Nasmyth (er ist nach Erwin Friedrich Wagner schon der zweite Empfänger am IMP) sich auf die oben genannten „Klebstoffe” beziehungsweise Trennmechanismen konzentrieren. Bereits im ersten Forschungsjahr gelang es dem Team, „einige Schlüsselproteine zu identifizieren. Diese Proteine sind dafür verantwortlich, dass die verdoppelten Chromosomen vor der eigentlichen Zellteilung zusammengehalten werden, um dann zum richtigen Zeitpunkt auseinander zu weichen.” Das Preisgeld soll im Wesentlichen der Intensivierung und Ausweitung der laufenden Projekte dienen. Konkret sollen damit Arbeiten finanziert werden, die zum Ziel haben, die molekulare Struktur der erwähnten Zellzyklus - Proteine zu entschlüsseln. „Weiters wollen wir mit den zusätzlichen finanziellen – und damit personellen – Mitteln die Funktion ähnlicher Proteine in tierischen Organismen aufklären.”