The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20110430190641/http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/wirtschaft/index.html


1933-1939

Industrie und Wirtschaft



Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt wurde, entspannte sich die Lage der durch die Weltwirtschaftskrise stark betroffene deutsche Wirtschaft bereits wieder. Der H�hepunkt der Massenarbeitslosigkeit war schon 1932 �berschritten worden und Hitler konnte auf erste Programme zur Arbeitsbeschaffung wie dem Autobahnbau zur�ckgreifen. Bis Ende 1934 investierte die Regierung etwa f�nf Milliarden Reichsmark in die Bek�mpfung der Arbeitslosigkeit. Die durch Milliardenkredite finanzierten R�stungsauftr�ge reduzierten dabei ebenso die Arbeitslosenquote wie die Einf�hrung der allgemeinen Wehrpflicht und des Reichsarbeitsdiensts (RAD) 1935. Im selben Jahr erreichte die Industrieproduktion wieder den Stand von 1928 und die Zahl der Erwerbslosen sank unter zwei Millionen. Der rasche wirtschaftliche Aufschwung und der deutliche Besch�ftigungsanstieg trugen ma�geblich zur weitgehenden Zustimmung der deutschen Bev�lkerung und innenpolitischen Etablierung der NS-Herrschaft bei. Neben der Arbeitsbeschaffung stand haupts�chlich die milit�rische Wiederaufr�stung im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik.

[Schild der Deutschen Arbeitsfront, nach 1933] Die Wirtschafts- und Besch�ftigungspolitik stand grunds�tzlich unter den ideologischen Vorgaben des NS-Regimes, auch wenn die im 25-Punkte-Programm der Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) geforderte Verstaatlichung aller vergesellschafteten Betriebe und Warenh�user sowie eine umfangreiche Bodenreform ausblieben. Bereits im Februar 1933 erkl�rte Hitler, dass alle �ffentlichen Ma�nahmen zur Arbeitsbeschaffung zugleich der "Wehrhaftmachung" zu dienen h�tten und den Interessen des Staates untergeordnet seien. Mit dem Postulat "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" wurden im Zuge der Gleichschaltung aller staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen auch die Gewerkschaften aufgel�st und ihre Funktionen der Deutschen Arbeitsfront (DAF) �bertragen. Die Zerschlagung der Gewerkschaften beseitigte die selbst�ndigen Interessensvertretungen der Arbeitnehmer, das Streikrecht wurde abgeschafft. Die DAF hatte auf lohnpolitische Entscheidungen allerdings nur beratenden Einfu�: Arbeitsvertragsfragen und Tarifverhandlungen wurden vielmehr von den im April 1933 ernannten "Treuh�ndern der Arbeit" festgesetzt, die direkt dem Reichsarbeitsministerium unterstanden. Da Lohnerh�hungen aus Kostengr�nden vermieden werden sollten, stieg das durchschnittliche Realeinkommen eines Industriearbeiters kaum und lag bis 1939 deutlich unter dem Niveau von 1928. Demgegen�ber veranlasste die Regierung zus�tzliche soziale Verbesserungen: Der 1. Mai wurde als staatlicher Feiertag bei voller Lohnfortzahlung eingef�hrt und die Organisation "Kraft durch Freude" (KdF) erm�glichte erstmalig gro�en Teilen der Arbeiterschaft kulturelle und touristische Freizeitbesch�ftigungen. Ein 14-t�giger KdF-Sommerurlaub am Tegernsee kostete 54 Reichsmark und ein dreit�giger Kurzausflug zum Bodensee war mit 7,90 Reichsmark auch f�r Industriearbeiter erschwinglich, deren Mindesturlaub von 3 auf 6 Tage erh�hte wurde.

[Plakat: Plakat zur Arbeitsbeschaffung, 1934] Im Mittelpunkt der NS-Wirtschaftspolitik stand zun�chst die schnelle Durchsetzung umfangreicher Arbeitsbeschaffungsma�nahmen: �ber 25 Prozent aller Erwerbst�tigen verf�gten Anfang 1933 offiziell �ber keine Arbeit, bei m�nnlichen Industriearbeitern lag die Quote deutlich h�her. Die NSDAP versuchte eine Belebung des Arbeitsmarkts mit Ma�nahmen zur Stimulierung der Arbeitskr�ftenachfrage und durch die Minderung des Arbeitskr�fteangebots zu erreichen. Neben dem Stra�enbau senkte das NS-Regime die Arbeitslosigkeit insbesondere durch Wohnungsbauprogramme, Steuererleichterungen, Durchf�hrung von Fortbildungskursen und die Schaffung staatlich subventionierter Besch�ftigungsm�glichkeiten zum Beispiel als Land- und Erntehelfer oder F�rsorgearbeiter. Zahlreiche Kampagnen zum bevorzugten Kauf in Deutschland hergestellter Produkte sollten zus�tzlich Konsumbereitschaft und Binnennachfrage anregen.

Als 1936 mit 1,5 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt wieder der Besch�ftigungsgrad von 1928 erreicht wurde, herrschte vor allem in der R�stungsindustrie bereits Arbeitskr�ftemangel, w�hrend bei der Konsumg�terindustrie noch ein deutlicher �berhang an qualifizierten Arbeitern zu verzeichnen war. Die konjunkturelle Wende Mitte der 1930er Jahre und der anschlie�ende Wirtschaftsaufschwung schlug sich bei der Produktion von Erd�l, der Herstellung von Rohstahl und Roheisen und im rapide ansteigenden Stromverbrauch nieder. In der verarbeitenden Industrie stieg die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 1935 bis 1936 von 44,4 auf 45,6 Stunden.

[Plakat mit der Aufforderung, jüdische Geschäfte zu boykottieren, 1933] Die NSDAP forcierte von Beginn an die Ausgrenzung der j�dischen Bev�lkerung aus Wirtschaft, Handel und Gewerbe. Der staatlich geduldete Boykott j�discher Gesch�fte im April 1933 f�hrte zu zahlreichen Gesch�ftsaufgaben und zerst�rte das Vertrauen ausl�ndischer Investoren. Durch das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurden Tausende j�dische Beamte und Angestellte aus dem �ffentlichen Dienst entlassen und deren Stellen an Bewerber vergeben, die durch den "Ariernachweis" ihre "arische" Herkunft belegen konnten. Die traditionsreiche Wahrenhauskette Hermann Tietz mit �ber 10.000 Angestellten wurde als eines der ersten Unternehmen bereits im August 1934 zwangsenteignet. Gro�e Finanzmittel erhielt der Reichshaushalt durch die ab 1938 ausgeweitete systematische Enteignung j�dischen Besitzes und Verm�gens zugunsten von Nichtjuden im Rahmen der "Arisierung". Die nach dem Novemberpogrom 1938 der j�dischen Bev�lkerung als S�hnezahlung auferlegte "Judenbu�e" in H�he von einer Milliarde Reichsmark erh�hte die Staatseinnahmen um gut sechs Prozent. Im Haushaltsjahr 1938/39 stammten insgesamt mindestens neun Prozent der laufenden Reichseinnahmen aus "Arisierungserl�sen".

Im September 1936 k�ndigte Hitler auf dem Reichsparteitag in N�rnberg einen Vierjahresplan an. Zentrale Punkte waren die Aufr�stung und das Erlangen wirtschaftlicher Autarkie. Die Wehrmacht sollte "in vier Jahren einsatzf�hig" und "die deutsche Wirtschaft in vier Jahren kriegsf�hig sein". Als "Beauftragter f�r den Vierjahresplan" war Hermann G�ring gegen�ber allen Wirtschaftsbeh�rden weisungsbefugt und kontrollierte den gesamten Devisenverkehr. [Sonderausgabe der Zeitschrift "Der Vierjahresplan", 1941] Der Vierjahresplan beendete die Phase der relativen Autonomie der Wirtschaft. Staat und Partei griffen nun dirigierend in den Produktionsprozess ein. Die Privatwirtschaft passte sich den staatlichen Vorgaben an. Der R�stungsboom brachte den Betrieben hohe Renditen. W�hrend die Produktion von R�stungsg�tern stark anstieg, schr�nkte der Vierjahresplan die Konsumg�terindustrie deutlich ein. Lukrative R�stungsauftr�ge und kontinuierliche Verbesserung der Arbeitgeberrechte gegen�ber den Arbeitnehmern hatten der NS-Regierung die Zustimmung weiter Teile der Industrie gesichert. Vor allem Gro�unternehmer aus der Schwerindustrie wie Emil Kirdorf, Albert V�gler, Fritz Thyssen,Robert Bosch und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach profitierten von der NS-Wirtschaftspolitik und der forcierten Aufr�stung. Der Anteil f�r R�stung und Milit�r an den Gesamtausgaben des Staatshaushalts stieg zwischen 1933 und 1936 von vier auf 39 Prozent. 1938 wurden schlie�lich die H�lfte aller Staatsausgaben f�r R�stung und Kriegsvorbereitung verwendet.

Die intensive Aufr�stung war ab 1936 allerdings nicht mehr nur Garant f�r neue Arbeitspl�tze, sondern auch eine Belastung f�r die wirtschaftliche Produktivit�t: Rohstoffengp�sse im industriellen Sektor und zunehmende Versorgungsschwierigkeiten auf dem Agrarsektor waren die Folge. Die Importe landwirtschaftlicher Erzeugnisse und industrieller Rohstoffe erh�hte sich zwischen 1936 und 1937 um fast ein Drittel. Bereits 1933 hatte die Regierung erste Gesetze zur Koordinierung des Au�enhandels mit dem Ziel der deutschen Selbstversorgung verabschiedet. Im September 1934 erweiterte Reichsbankpr�sident und Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht die staatliche Reglementierung des Au�enhandels durch den "Neuen Plan", der zahlreiche �berwachungs- und Pr�fungsstellen f�r Ein- und Ausfuhr vorsah. Zu Lasten von Fertigwaren sollten vor allem wichtige Rohstoffe eingef�hrt werden: W�hrend die Rohstoffimporte zwischen 1933 und 1937 von 1,4 Milliarden auf zwei Milliarden Reichsmark anstiegen, verringerte sich die Fertigwareneinfuhr von 500 Millionen auf knapp 400 Millionen. Aufgrund der zunehmenden Devisennot sollte der Handel mit Skandinaven, S�dosteuropa und Lateinamerika intensiviert und vorzugsweise bargeldlos durch Verrechnung und Warentausch abgewickelt werden. Dennoch blieb die deutsche Industrie nach wie vor auf Importe aus westeurop�ischen L�ndern und den USA angewiesen.

[Photo: NS-Musterbetrieb, 1938] Aus wehr- und devisenwirtschaftlichen Autarkiebestrebungen forcierte die Regierung ab 1935 den Aufbau einer Ersatzstoffproduktion vor allem auf den Gebieten der Benzin- und Kautschuksynthese sowie der Kunstfaserproduktion: Der in Leuna produzierte synthetische Treibstoff aus Kohle sollte die Abh�ngigkeit von �limporten vermindern und die Buna-Werke entwickelten synthetischen Kautschuk, um die Reifenindustrie von Rohgummiimporten unabh�ngig zu machen. Auch in der Konsumg�terproduktion wurde zunehmend auf Ersatzstoffe zur�ckgegriffen, zum Beispiel bei Radiogeh�usen, Armaturenger�ten und in der Bekleidungsindustrie: Wolle und Baumwolle wurden durch Kunstseide und Zellwolle ersetzt. W�hrend bei der Ersatzstoffproduktion vor allem Privatunternehmen wie die IG Farben eingebunden wurden, �bernahm der Staat mit der Gr�ndung der "A.G. f�r Erzbergbau und Eisenh�tten Hermann G�ring" die Verarbeitung minderwertiger deutscher Erze aus der Umgebung von Salzgitter (Harz), die f�r die Industrie unrentabel erschien: Die 1937 gegr�ndeten "Reichswerke Hermann G�ring" sollten in 32 Hoch�fen die sauren Erze verh�tten, allerdings begann die Produktion von Roheisen erst nach Kriegsbeginn. Die "Reichswerke" z�hlten neben Krupp, Siemens und Rheinmetall zu den gr��ten R�stungskonzernen in Deutschland. Um die Mobilmachung der Industrie auch propagandistisch zu f�rdern und die Arbeitsbev�lkerung zu gr��eren Leistungen zu motivieren, rief die DAF 1936 den Leistungskampf der deutschen Betriebe aus: Vorbildliche und effiziente Produktionsst�tten verlieh Hitler jeweils am 1. Mai die Auszeichnung eines "nationalsozialistischen Musterbetriebs".

Der "Anschlu�" �sterreichs im M�rz 1938 brachte dem Deutschen Reich f�r die milit�rische Aufr�stung neben zus�tzlichen Arbeitskr�ften auch neue Gold- und Devisenreserven im Wert von �ber 1,4 Milliarden Reichsmark. Nach der "Zerschlagung der Rest-Tschechei" wurde die Praxis der Nutzbarmachung ausl�ndischer Ressourcen f�r die deutsche R�stungsproduktion auch auf das sogenannte Reichsprotektorat B�hmen und M�hren ausgedehnt. Mit dem deutschen �berfall auf Polen 1939 begann die systematische Ausbeutung nahezu aller besetzten europ�ischen L�nder f�r die deutsche Kriegswirtschaft.

(jl)


Statistik: Produktion von Erd�l 1900-1944 / Stromerzeugung 1900-1944
[Statistik: Produktion von Erdöl 1900-1944] [Statistik: Stromerzeugung 1900-1944]


[Kollektives Gedächtnis] Helene Bornkessel: Hitlers Aufr�stung






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